BUND Rhein-Sieg-Kreis


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Konflikt Weltjugendtag 2005

Themen + Projekte > Lebensräume / Flächenschutz


Der Konflikt um die Abschlußfeier des Weltjugendtages 2005 in Hangelar - Ein Rückblick


1. Das Problem: Geplante Großveranstaltung am falschen Ort

In der Lokalpresse des Rhein-Sieg Kreis war seit Ende 2003 zu lesen: "Im August 2005 kommt der Papst nach Sankt Augustin!" Die Bevölkerung sowie die Kommunalpolitiker freuten sich über die Ehre, für zwei Tage als Gastgeber auftreten zu dürfen. Für die Vigil und die Abschlussfeier des "20. Weltjugendtages" wurde das komplette Grünlandareal zwischen Sankt Augustin-Hangelar (Flugplatz), Menden und Meindorf vorgeschlagen - die Hangelarer Heide. Ca. eine Million Jugendliche, Gläubige und Geistliche aus aller Welt sollten anreisen um den Papst zu sehen und mit ihm zu feiern.

Der Standort Sankt Augustin erschien den Organisatoren besonders praktisch, da dort das Kloster der Steyler Missionare und ein Flugplatz unmittelbar an eine große Grünlandfläche angrenzen. Der Bundesgrenzschutz hat in der Nähe einen Stützpunkt, was die Gewährleistung der Sicherheit erleichtert hätte.

Um das Gelände nutzbar zu machen, sollte es sternförmig von ca. 25m breiten, befahrbaren Wegetrassen durchzogen werden, die auf einen 3.500 m² großen Bühnen-Erdhügel zulaufen - künstlich aufgeschüttet.
Dieser Entwurf - vom planenden Architekten "Kathedrale für einen Tag" genannt - sollte dauerhaft am Ort verbleiben. Gleiches sollte auch für das Wegesystem gelten, das auch nach Jahrzehnten noch an die Veranstaltung erinnern sollte.


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2. Wertvolles Biotop für Amphibien, Bodenbrüter, Zugvögel und seltene Pflanzen

Als Bürgermeister und Landrat die Fläche als Veranstaltungsort anboten, war sie bereits zur einen Hälfte wegen der seltenen Halbtrockenrasenvegetation im Landschaftsplan behördenverbindlich als 'Geschützter Landschaftsbestandteil' gesichert. Die andere Hälfte wurde inzwischen im Gebietsentwicklungsplan als Biotopfläche BSN SU 79 ausgewiesen. Schon diese beiden Informationen hätten ausreichen müssen, um zu erkennen, dass das Areal als möglicher Veranstaltungsort ausscheidet!

Die Stadt hat, da sie anderenorts wegen des Ausbaues einer Kläranlage Natur zerstören musste, hier eine Chance gesehen, die rechtlich vorgeschriebenen
Kompensationsmaßnahmen unterzubringen. So entstanden in den ehemaligen Kiesgruben mehrere Laichtümpel, Feldhecken, einige Kalkschotterfluren für besonders markante Pflanzen. Eine Schafherde hält das Gras heute kurz und ermöglicht es so, auch bodenbrütenden Vögeln dort heimisch zu werden, zunehmend interessieren sich Kiebitze für die Fläche.

Jugendgruppen haben mitgeholfen, hier zusätzliche Laichgewässer anzulegen und viele tausend Euro Steuer- und Stiftungsgelder wurden investiert, um Lebensräume für wertvolle Tier- und Pflanzengesellschaften zu erhalten.
Seit 1986 konnten hier mehr als 130 gefährdete Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen werden, die auf der Roten Liste NRW und z.T. in den Artenschutzverordnungen aufgeführt werden (u.a. 10 Arten FFH Anhang II und IV). Ganz klar, laut Gebietsentwicklungsplan waren hier die Weichen in Richtung Naturschutzgebiet (NSG) gestellt. Hätten die Untere Landschaftsbehörde und die Stadt ihre Hausaufgaben früher erledigt, wäre das gesamte Gelände bereits NSG. Erste Schutzgebietsvorschläge liegen seit den achtziger Jahren vor.

Aber stattdessen steht nicht nur die ehem. Kiesgrube "Bergmann" vor dem 'Aus', die u.a. etliche vom Aussterben bedrohte Wildbienenarten beherbergt (hier sollen Teile des Technologieparks Bonn-Sankt Augustin errichtet werden, für den es seit Jahren nicht die nötigen Investoren gibt). Auch das geplante Gewerbegebiet Menden-Süd soll Freiflächen der ehemaligen Abgrabung "Deutag" schlucken und weit in den Freiraum südlich von Menden vordringen.

Große Arten des Naturschutzes kommen hier noch vor:
Kreuzkröte, Kiebitz und Rebhuhn wurden beispielhaft mehrfach in der lokalen Presse genannt. Hinzu kommen u.a. Haubenlerche, Flussregenpfeifer, Nachtigall, Kammmolch und Mauereidechse, oder aus der Insektenfauna: der Große Fuchs (Tagfalter), der sehr seltene Sonnenröschen- Bläuling (Tagfalter), Deich-Hummel, Weinhähnchen (Heuschrecke), Dreifingriger Kamelläufer (Laufkäfer).

Bei den Pflanzen ist die Situation nicht weniger eindrucksvoll: noch wachsen hier das sehr seltene
Gewöhnliche Kreuzblümchen, Katzenminze, Sand-Thymian, Acker-Trespe und als Leitart der Grasnelken-Gesellschaft im "Geschützten Landschaftsbestandteil" die Heide-Nelke, die in der Niederrheinischen Bucht bereits als "verschollen" gilt.

Als Ökologisch problematisch erkannte der B.U.N.D. neben den langen und umfangreichen Bauarbeiten sowohl die beabsichtigten Wegebaumaßnahmen, der Nährstoffeintrag (Speisereste, Urin, ...), als auch der intensive Betritt durch Menschen (laut Roter Liste eine der Gefährdungsursachen für die Heide- Nelkenflur). Die größeren Arten (z.B. Hasen und Rebhühner) müßten mit Eintreffen der erwarteten ca 1 Millionen BesucherInnen das Gelände fluchtartig verlassen ohne dass größere Rückzugszonen zur Verfügung stünden.


3. Der Interessenskonflikt - Naturschutz hat bei Stadt- und Kreisverwaltung das Nachsehen

Nach Rücksprache mit verschiedenen Experten hätte hier eine kaum machbare Herausforderung bestanden, Naturschutz und Interessen der Veranstalter verträglich zu verbinden. Biologen haben bestätigt, dass in der Kernzone der Veranstaltung mit der Auslöschung der Kreuzkröte, des Kiebitz und der nicht abgesperrten Heide-Nelkenrasen als (mögliche) Folge gerechnet werden muss! Was während der Bauphase nicht zerstört wird, wird von den Menschenmassen verjagt oder zertreten.

Da sich die Verantwortlichen einem Ortswechsel für die Veranstaltung von Anfang an beharrlich verweigert haben und ursprünglich ausschließlich auf die Hangelarer Heide als angeblich einzig möglichen Ort fixiert waren, konzentrierten sich die Bemühungen des BUND auf klare Vereinbarungen zum Schutz der Natur vor, während und nach der Veranstaltung.

Vorher sollten z.B.
Ersatz- und Ausweichbiotope geschaffen werden, für die Veranstaltung selbst wurde eine Umplanung verlangt, z.B. Verzicht auf oder Verschiebung des Papsthügels sowie umfassender und konsequenter Schutz der Tabuzonen. Hinzu kam als Kernforderung, das Gelände samt der wertvollen Randbiotope (Grube Bergmann, Grube Deutag) nach dem Weltjugendtag dauerhaft dem Naturschutz zuzuführen und dadurch langfristig eine Regeneration des Geländes zu ermöglichen, dass unzweifelhaft trotz aller Schutzmaßnahmen durch die Massenveranstaltung ökologisch schwer geschädigt worden wäre.
Die Gespräche brachten jedoch nur unzureichende Teilerfolge, indem im Rahmen des gesetzlich Notwendigen versucht worden wäre, gewisse
Tabuzonen während der Veranstaltung für die Besucher zu sperren. (siehe Abbildung, unten)


Architekturentwurf geplant: Wege und Bühne (hellgelb), Besucherflächen (dunkler gelb bis kress), Schutzzonen (grün)
(Stand April 2004)


Planungsbild der Bühne

Die auch für eine langfristige Sicherung der Arten notwendigen Ausgleichsflächen wurden von Kreis und Stadt jedoch verweigert. Während der Naturschutz beharrlich um die Akzeptanz von Schutzzonen für selten gewordene Pflanzen und Tiere selbst dort kämpfen muss, wo dem Naturschutz planrechtlich der Vorrang eingeräumt wurde, sollten die angrenzenden, in ökologisch wertvollen Zonen geplanten Gewerbegebiete, für die seit Jahren vergeblich Investoren gesucht werden, von vornherein nicht angetastet werden!

Den BUND Vertretern wurde deutlich klargemacht, dass die Stadt Sankt Augustin ihre Fehlplanung in diesem Bereich weder abmildern noch korrigieren will und somit
ein wesentlicher Kompensationsaspekt für die Auswirkungen der Veranstaltung nicht gesichert war.

Zur Durchführung dieser Massenveranstaltung wäre der
Naturschutz de facto für diesen Ort aufgehoben worden, mit Unterstützung aller Behörden. Forderungen des Naturschutzes und selbst schon beschlossene, dringende Naturschutznahmen sind behördlicherseits erst einmal zurückgestellt worden.


Kreuzkröte im Biotop in Hangalar - ein seltener Lebensraum

4. Bewahrung der Schöpfung

Die Bewahrung der Schöpfung und die Ehrfurcht vor dem Leben, das sind christliche Werte, für die der BUND NRW eingetreten ist, als er die Organisatoren des Weltjugendtages aufforderte, die Abschlussfeier nicht in St. Augustin, sondern im nahen Bornheim zu veranstalten. Bei Bornheim-Sechtem hat der BUND selbst ein Alternativgelände gefunden und den Veranstaltern vorgeschlagen. Dieser lehnte jedoch ab und stellte das Alternativgelände als weniger gut geeignet dar, als die Hangelarer Heide. Acht Vereine, die sich in der 'Schutzgemeinschaft Hangelarer Heide' zusammengeschlossen haben, unterstützten gemeinsam mit der 'Initiative Kirche von unten' seit April 2004 das Anliegen zur einem Standortwechsel für die Abschlußfeier.

Einstige Abgrabungsflächen, steile, bis zu 8m hohe Böschungen, nasse Senken, beweidete Magerwiesen und Halbtrockenrasen bilden in St. Augustin ein buntes Mosaik. Entsprechend viele bedrohte Arten leben dort, 130 sind nach der Roten Liste gefährdet, 13 sogar nach EU-Recht geschützt. B
ehördenverbindliche Schutzausweisungen überziehen fast das gesamte Gelände. 42 ha Halbtrockenrasen auf dem Segelfluggelände stehen direkt unter der Obhut des Gesetzgebers.
Realität ist aber auch, dass
Kampfmitteln aus dem Krieg das Flugplatzgelände belasten und die heutigen Magerwiesen einst intensiv mit Klärschlamm gedüngt wurden, dessen Schadstoffwerte bisher nicht vorliegen.

Für die WJT gGmbH ergaben sich aus dieser Sachlage enorme Konflikte: Die
Kampfmittelräumung, von den Veranstaltern angestrebt, hätte Kosten von bis zu 8 Mio. Euro gebracht, die weder der Veranstalter noch die Landesregierung zu zahlen bereit waren. Das Abgrabungsgelände mit den hohen Böschungen bildet einen sackartigen Raum, der im Falle einer Panik für die Besucher zur tödlichen Falle hätte geraten können. Schließlich führten die Schutzkategorien und die seltenen Arten zu ethischen wie rechtlichen Problemen, von weiteren Kosten für Schutz- und Reparaturmaßnahmen ganz zu schweigen. Der immer wieder herausgestellte sandige Boden ist nur auf ca. 1/3 der Veranstaltungsfläche anzutreffen, dort, wo die größten Naturschutzkonflikte zu erwarten gewesen wären.

Das Alternativgelände dagegen wird ackerbaulich genutzt.
Schutzgebiete existieren dort nicht, seltene Arten sind nicht betroffen. Die Verfügbarkeit des Standortes wurde von den Bewirtschaftern zugesichert, die anstehenden Löss- Böden sind nach der Ansaat von Grünland gut geeignet. Die Infrastruktur (Autobahn, Bahn) übertrifft das Angebot in St. Augustin; von Köln wäre sogar ein direkter Pilgerweg vom Dom aus möglich. Selbst der schon erdachte gestalterische Entwurf wäre in Bornheim leichter, billiger und besser umsetzbar, da keine Böschungen im Weg stünden und größere Freiflächen notwendige Sicherheitsreserven bildeten.

(Stand: 05.08.2004) -
Zum Weiterlesen: Was sagt der Papst zum Thema Umweltschutz/Ökokrise?


5. Kampagne erhielt breite Unterstützung und spaltete die Meinungen

Die Machbarkeit einer verträglichen Großveranstaltung blieb auf diesem Areal mehr als fragwürdig. Daher forderten wir, nachdem der Verhandlungsweg gescheitert war, nun umso dringlicher, mit der Veranstaltung endlich auf einen alternativen Standort auszuweichen!

Der Sachverhalt war den Veranstaltern, der Weltjugendtag gGmbH, nicht neu, obwohl Stadt- und Kreisverwaltung den Konflikt mit aller Macht herunterspielen wollten, da Prestige leider viel in der Welt der Politik gilt. So war auch die WJT gGmbH erst dann bereit, den Standort für die Abschlusskundgebung zu überdenken, als der BUND sein
Recht zur Verbandsklage wahrgenommen hat. Wenn es um die Eingriffe innerhalb des Geschützten Landschaftsbestandteils (Nelkenflur) geht, die gesetzlich geschützt sind, haben anerkannte Verbände das Recht, bevorstehende Planungen gerichtlich auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Naturschutzrecht überprüfen zu lassen.

Die Kreisgruppe hat gemeinsam mit dem Landesvorstand die Möglichkeiten einer Klage und verstärkter Öffentlichkeitsarbeit als Mittel zum Schutz der wertvollen Flächen ausgelotet und von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Vor dem Hintergrund der nie dargelegten Prüfung von Alternativen seitens der Veranstalter und der Weigerung von Stadt und Kreis, längerfristig gesicherte Rückzugsräumen für die bedrohten Arten anzubieten, sahen wir die Chancen, diesezerstörerischen Eingriffe noch zu verhindern, als gut an. Die richterliche Entscheidung stand kurz bevor, da gab die WJT gGmbH überraschend bekannt, auf das Gelände in Hangelar verzichten zu wollen. Hier hat die Kirche wohl am 12. Augustin 2004 die "Reißleine" gezogen, wie es in der Presse hieß. Die Gefahr bei einer - aus Sicht des Veranstalters - verlorenen Klage schlecht darzustehen und die planerischen Risiken einerseits, andererseits aber auch bei einer ggf. gewonnen Klage die verbleibenden Konflikte mit dem Veranstaltungsort Hangelar (Kampfmittelproblematik und Sicherheitsbedenken) lösen zu müssen, hätte gewaltige Mittel und Risiken aufgeworfen.

Der BUND konnte mit Hilfe der Unterstützung vieler Einzelpersonen und Vereine die Veranstalter zu einem Umdenken bewegen und bedankt sich für die Mithilfe seiner Förderer und Mitglieder. Die teilweise heftig geäußerte Kritik haben wir sachlich beantwortet und verstehen, daß die Problematik den Menschen, die nur oberflächlich informiert waren und in erster Linie Enttäuschung über die nun nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung sondern 60 km weiter im Rhein-Erft Kreis bei Frechen stattfindende Weltjugendtagsfeier empfanden, nur schwer zu vermitteln war. Die Entscheidung für den Standort in einem rekultivierten Braunkohletagebau wurde von der WJT gGmbH am 30.09.2004 auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben (siehe auch www.wjt2005.de).

Wir setzen uns - gemeinsam in der Schutzgemeinschaft Hangelarer Heide - auch weiterhin für den Erhalt der Freifläche zwischen Menden und Hangelar und deren Artenreichtum ein.


Wie kann man helfen:

Die Schutzgemeinschaft Hangelarer Heide steht auch weiterhin allen Interessierten Personen offen!

Ansprechpartner zu diesem Thema beim
BUND für Umwelt- und Naturschutz Rhein-Sieg:

Achim Baumgartner
Steinkreuzstrasse 14
53757 Sankt Augustin
Tel/Fax: 02241/2007566
e-mail: achim.baumgartner@bund-rsk.de

Roman Stumm
Auf der Nachbarsheide 9b
53773 Hennef
Tel: 02242/914327
e-mail: roman.stumm@bund-rsk.de

Ansprechpartner zu diesem Thema beim Hegering Siegburg - Sankt Augustin ist:

Dr. Gerd Ullmann
Bischofsplatz 2
53111 Bonn
Tel : 0228 / 97 666 - 40, Fax : - 41
e-mail : dr.ullmann@ullmann-gmb.de



Der Nachdruck des Textes in Mitgliederzeitschriften, Rundbriefen etc. ist erwünscht.


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