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07.09.2012 - Kreis beantragt Berufung im Fall Drachenfels

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Kreis beantragt Berufung im Fall Drachenfels -
Berufungsantrag verschleppt Inbetriebnahme

Rhein-Sieg-Kreis, 7.9.2012: Wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mitteilt, hat der Rhein-Sieg-Kreis am 31. August den Antrag auf Berufung beim Verwaltungsgericht in Köln gestellt. Berufungsgericht ist das Oberverwaltungsgericht in Münster. Damit geht der Rechtsstreit um die Ausgestaltung der Glasfassade des neuen Gebäudes am Drachenfels in die nächste Runde. Nun muss über die Zulassung der Berufung entschieden werden. Der Antrag auf Berufung ist der Beklagten möglich und daher auch aus Sicht des BUND legitim. Unabhängig von der Kreisverwaltung hat auch die Beigeladene, die Wirtschaftsförderungs- und Wohnbaugesellschaft Königswinter, selbständig den Berufungsantrag gestellt.

Der BUND weist darauf hin, dass die Berufungsanträge in der Sache unverständlich seien. Denn durch sie werde eine
Eröffnung des Restaurantgebäudes weiter verschleppt. "Da der Befreiungsbescheid für die Glasfassade vom Verwaltungsgericht Köln aufgehoben worden ist, fehlt jetzt dem Bauwerk die erforderliche Befreiung.", darauf weist Rechtsanwalt Dr. Frank Niederstadt hin, der den BUND anwaltlich vertritt. Deshalb sei eine kurzfristige Inbetriebnahme nicht möglich. Auf jeden Fall müssten die Glasscheiben mit Netzen zugehängt bleiben. Dem Richterspruch aus Köln zu folgen, hätte dagegen zügig zu einer abschließenden
Lösung des Konfliktes geführt.

Es sei irritierend, dass der Kreis als untere Naturschutzbehörde mit Nachdruck eine Lösung durchsetzen wolle, bei der maximal 36 Prozent der anfliegenden Vögel das Glas erkennen und nicht mindestens 80 Prozent.
Der Kreis wolle also nachweislich deutlich
weniger Vogelschutz als durch einfache Maßnahmen technisch möglich sei, das sei bedauerlich. Schließlich sei der Kreis als staatliche Naturschutzbehörde dem Schutz der Natur verpflichtet, so Achim Baumgartner, Sprecher der BUND-Kreisgruppe. Statt dessen verteidigten der Kreis und die Baugesellschaft nun die Fehlinvestition der Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft Königswinter. Letztere hatte 80.000 Euro Mehrkosten für ein Glas investiert, das als Vogelschutzglas auch das Verwaltungsgericht nicht überzeugen konnte. Sichtbare Markierungen auf dem Glas sind dagegen zumutbar, wirksam und ungleich günstiger.

Offen sei zudem, ob eine Berufung für den Kreis oder die Baugesellschaft überhaupt erfolgreich enden könne. Denn selbst wenn bei einer Annahme der Berufung in der nächsten Instanz Kreis und Beigeladene Recht bekämen, würde der Nachweis toter Vögel an der Glasscheibe auch nach den Vorgaben des vom BUND beklagten Bescheides nach einigen Jahren zu sichtbaren Markierungen - z.B. 2 mm dünnen schwarzen Streifen - an den Fensterscheiben führen. Nur mit dem Unterschied, dass von der Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft Königswinter zuvor ein teures und zweifelhaftes Monitoring durchgeführt werden müsse und billigend der Tod von zahlreichen Vögeln, darunter auch von hochgradig bedrohten Arten wie der Zippammer, in Kauf genommen werden würde. "Da im Januar 2011 bereits ein Uhu auf dem Plateau an einer Glasscheibe verunglückt war, sind tödliche Anflüge schon jetzt sicher zu erwarten", sagt Baumgartner.

Im übrigen hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Kreisverwaltung aufgehoben und nicht ersetzt. Der Kreis habe demnach einige Möglichkeiten, in einem neuen, eigenen Bescheid einen gangbaren Weg zur Lösung der Konflikte selbst vorzuschlagen und einen neuen Bescheid in vielfacher Hinsicht rechtssicher zu machen. In der Berufung bleibe der Kreis dagegen auf seinen alten Bescheid verpflichtet, der schon aus formalen Gründen viele Mängel enthalte. So fehle ihm eine geordnete Abwägung.

v.i.S.d.P.
BUND Rhein-Sieg-Kreis
Achim Baumgartner (Sprecher)
Steinkreuzstraße 14
53757 Sankt Augustin
Tel.: 02241 - 2007566

Hintergrund:

Wenn angegeben werden soll, wie gut eine Markierung auf einer Glasscheibe von Vögeln erkannt wird, wird oft ein Prozentwert genannt und mit einem Begriff wie "Wirkungsgrad", "Vermeidungsfaktor" oder ähnlichem verknüpft. So legt die Formulierung "68 % Wirkungsgrad" nahe, eine Markierung würde von zwei Dritteln aller Vögel erkannt. Dies ist jedoch aus folgenden Gründen falsch.

1) Bei den gängigen Testverfahren, mit denen mit Vögeln die Wirksamkeit von Markierungen an Glasscheiben untersucht wird, handelt es sich um Wahlversuche. Das heißt, den Vögeln werden (meist am Ende eines Flugtunnels) zwei Scheiben präsentiert, auf die sie zufliegen: eine mit der zu testenden Markierung und eine unmarkierte Scheibe (ein vorgespanntes feines Netz verhindert den Anprall). Aus dem Anflugverhältnis der getesteten Vögel an die beiden Scheiben kann dann geschlossen werden, ob eine Markierung wirksam ist und in welchem Maße. Werden verschiedene Markierungen getestet, können sie miteinander verglichen werden. Hierin liegt der Zweck der Wahlversuche: Markierungen relativ zueinander vergleichen zu können, aber nicht absolute Werte von "Wirksam-
keiten" zu liefern.

Es wäre also falsch, aus einem Anflugverhältnis von – beispielsweise – 32:68 (markiert zu unmarkiert) schließen zu wollen, 68 % der Vögel hätten die Markierung erkannt und seien ihr ausgewichen. Aus dem Anflugverhältnis kann nicht direkt geschlossen werden, wie viele Vögel die markierte Scheibe erkannt haben könnten. Dies liegt schon deshalb auf der Hand, weil eine völlig unwirksame Markierung ein rein zufallsverteiltes Anflugverhältnis von 50:50 erzeugen würde; hier würde niemand von "50 % Wirksamkeit" sprechen.

Bei der Interpretation der Flugtunnel-Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass es – außer bei einem Anflugverhältnis von 0:100 – zwei Typen von Vögeln gibt. Die einen erkennen die Markierung und weichen ihr aus, fliegen also in Richtung der unmarkierten Scheibe. Die anderen, die die Markierung nicht erkennen, fliegen zufallsverteilt zu gleichen Anteilen in Richtung der markierten und der unmarkierten Scheibe. Für unser Beispiel des Anflugverhältnisses von 32:68 heißt das: 2 x 32 = 64 % der Vö-
gel sind zufallsverteilt geflogen und haben die Markierung nicht erkannt. Gezielt ausgewichen sind nur 68 – 32 = 36 %. Nur diese Vögel können also die Markierung erkannt haben. Folgt man diesem Verständnis, hätten bei einem Anflugverhältnis von 32:68
also nicht 68 % die markierte Scheibe erkannt, sondern nur 36 % aller Vögel. Für eine ausführlichere Erläuterung dieser und weiterer Fragen siehe http://www.vogelglas.info/public/Haupt_2011_BzV143-160.pdf.

2) Bei allen bisher eingesetzten Flugtunneln einschließlich des in der Fachwelt als Test-Standard anerkannten, von M. Rössler in Österreich entwickelten Tunnels werden Spiegelungen auf dem Glas systematisch ausgeschlossen. Das ist sinnvoll, um tatsächlich nur die Wirkung der zu testenden Markierungen zu untersuchen. Reine Durchsicht ohne Spiegelung ist aber an eingebauten Glasscheiben ausgesprochen selten und am ehesten an gläsernen Lärmschutzwänden zu erwarten, nicht aber an Gebäuden. Hier begünstigt der dunklere Hintergrund im Inneren des Gebäudes das Auftreten von Spiegelungen.

Als erster hat wiederum M. Rössler im Herbst 2011 mit einem neu entwickelten Flugtunnel Spiegelungen in den Versuchsaufbau einbezogen. Es hat sich gezeigt, dass die Wirkung von Markierungen umso mehr abgeschwächt wird, je stärker die Spiegelungen sind. Das gilt im besonderen Maße für das getestete UV-Glas "Ornilux mikado". Diese Markierung ist nicht auf der Außenseite des Glases angebracht, wird also durch Spiegelungen besonders stark überlagert. Unter Einbeziehung von (auch nur schwachen) Spiegelungen zeigte "Ornilux mikado" in diesen Tests keinerlei Wirkung mehr. Es wurde von den eingesetzten Vögeln nicht mehr von unmarkiertem Fensterglas unterschieden (das ausführliche Testergebnis hat die Wiener Umweltanwaltschaft als Auftraggeberin veröffentlicht: http://wua-wien.at/home/naturschutz-und-stadtoekologie/vogelanprall-an-glasflaechen/uv-beschichtetes-vogelschutzglas).

Sichtbare Markierungen müssten auch deshalb gegenüber UV-Markierungen bevorzugt werden, weil nicht alle Vögel ultraviolettes Licht wahrnehmen und UV-Markierungen in der Dämmerung nicht wirken dürften. Geeignete sichtbare Markierungen sind in diesen Fällen hoch wirksam.

Zu diesem Thema siehe auch " Vogeltod an Glasscheiben".

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